August
August. Die letzten Tage schleichen dahin, jeder von ihnen ein weiterer langsamer Atemzug eines Sommers, der zu sterben scheint, bevor er je richtig begonnen hat. Vielleicht wird er in diesen Tagen noch einmal alle seine Kräfte zusammennehmen und weit ausholen, um einen letzten Pfeil in die kühleren Arme des Herbstes zu schießen. Doch ich glaube nicht daran. Die Luft ist schon jetzt durchtränkt vom Duft des Regens, vom Geruch des fallenden Laubs, von der Stille, auf die ich mich so freue. Ehrlich gesagt, ich war nie der Typ für den Sommer. Er scheint mir zu überladen, zu sehr geschwängert mit Erwartungen, die nie erfüllt werden, zu sehr ein bloßes Versprechen, das jedes Jahr aufs Neue enttäuscht wird. Die Menschen sprechen immer von den lauen Sommernächten, erzählen Geschichten unter Lichterketten und schwärmen von den Cocktails, die man unter einem klaren Sternenhimmel genießt. Sie erzählen von Freundschaften, die wie die Abende selbst sind: warm, erfüllt von Gelächter und unbeschwerten Gesprächen. Doch wenn man selbst keine Freunde hat, wenn man immer außerhalb dieses Kreises steht, was bleibt dann? Eine stille Sehnsucht vielleicht, ein dunkles Verlangen nach etwas, das man nicht einmal vermisst, weil es nie wirklich Teil des eigenen Lebens war. Ich betrachte jeden Sommer als eine Sammlung von Bildern und Geräuschen, die anderen gehören. Und während die Welt um mich herum ihre Abschiedslieder singt, freue ich mich auf den Herbst, der wenigstens ehrlich ist in seinem grauen Anspruch.
August. Ein Monat, der ohne bemerkenswerte Ereignisse verstrich. Die Heide blüht, doch ohne meine Anwesenheit und, ehrlich gesagt, ohne dass sie meine Aufmerksamkeit fordert. Es gab Vorhaben, die ich mir zu Beginn des Monats vornahm, Ideen, die ich in anderen Jahren mit Eifer verfolgt hätte, doch dieses Jahr ließ ich sie letzten Endes bewusst unberührt, wie Steine, die man auf einem alten Feldweg liegen lässt. Schuldgefühle hege ich wegen dieser Entscheidungen nicht, denn ich trage allein die Verantwortung. Wenn ich vorhin von einer stillen Sehnsucht, einem dunklen Verlangen schrieb, so möchte ich dies revidieren. Beim Nachdenken über diesen Monat, ebenso über den gesamten vergangenen Sommer, komme ich zu dem Schluss, dass ich nichts vermisse. Ich neige nicht mehr zur Nostalgie, zum sentimentalen Rückblick, der das Vergangene verklärt. Zu vermissen bedeutet oft, auf die Rückkehr von etwas zu hoffen, auf ein Wiedersehen, das in den meisten Fällen eine Illusion bleibt. Doch solche Hoffnungen hege ich nicht. Was vergangen ist, bleibt vergangen, und die Flüsse der Zeit fließen stets vorwärts, niemals zurück. So betrachte ich diesen August, diesen Sommer, als Kapitel eines Buches, das ich gelesen habe und dessen Inhalt ich kenne. Ich schlage es nun zu, ohne das Bedürfnis, es erneut zu öffnen.
Es ist Mittwoch. An meinem Schreibtisch vermischt sich der Duft von frisch gebrühtem Kaffee mit der stillen Luft des Nachmittags. Vor mir liegen fünfzehn sorgfältig geschriebene Briefe und ein Buch, bereit, um morgen ihre Reise mit der Post anzutreten. Draußen zeigt sich die Sonne nur sporadisch, ein schüchternes Lächeln durch die sonst dichte Wolkendecke, und die Äste der alten Eichen wiegen sich sanft im Wind. An den Spitzen ihrer Blätter kündigt sich, hier und da, vorsichtig der Herbst an, ein zögerliches Gelb, das sich vereinzelt in das Grün mischt. Ich nehme einen tiefen Schluck Kaffee, während die erste Welle der Müdigkeit mich trifft. Talko, der Weimaraner an meiner Seite, regt sich zu meinen Füßen. Er schaut auf, wirft einen kurzen Blick, bevor er seinen Kopf wieder niederlegt und die Augen schließt. Bald werden wir zusammen hinausgehen und uns durch die waldreiche Landschaft und entlang der sanft fließenden Flüsse und stillen Seen bewegen, eingehüllt in die Stille und Einsamkeit, während der Tag leise zu Ende geht. Und wenn schließlich die Sonne hinter den hohen Tannen am Horizont versinkt und die ersten Sterne zu funkeln beginnen, werde ich meine Augen schließen. Gegen drei Uhr früh werde ich wieder wach sein. Dann beginnt ein neuer Tag, einer der letzten in diesem müde gewordenen August, ein Monat, der wie ein Fremder in der Stille der Nacht aufsteht, seinen Mantel nimmt und ohne viele Worte verschwindet.
Ich werde diesen Monat nicht vermissen. Am Ende meiner Tage wird er unerwähnt bleiben, ein flüchtiger Schatten im Kalender meines Lebens, nicht mehr als eine leere Seite in einem ansonsten dicht beschriebenen Buch. Die verbleibenden Tage des Augusts werde ich dazu nutzen, um Ordnung zu schaffen. Ich werde aufräumen, umräumen, aussortieren, einpacken und wegpacken. Alles, was nur Raum beansprucht, ohne einen Wert zu bieten, werde ich entsorgen und damit Platz machen für Neues, für das, was wirklich zählt. Jedes weggeworfene Stück wird eine bewusste Entscheidung für die Zukunft sein, ein entschlossener Schritt weg von den verstaubten Ecken der Vergangenheit. Während die Abende nun früher in Dunkelheit münden und die Luft sich mit dem erdigen Duft von nassem Laub füllt, werde ich mein Zuhause und mein Inneres neu ausrichten. Ich schaffe Raum, nicht nur in den Regalen und Schubladen der Wohnung, sondern auch in dem weitläufigen Feld meiner Gedanken und Beziehungen. Ich entferne, was mich belastet, und bewahre nur, was wirklich echt ist. Und wenn dann der letzte Tag des Augusts anbricht, und ich leise die Tür zu diesem Kapitel endgültig schließe, werde ich bereit sein für den Herbst, bereit für all das, was noch kommen mag, in einem Leben, das fortan nur noch das Wesentliche umfasst – befreit von den Lasten, die mich bislang zurückgehalten haben.