David Goggins: Can’t hurt me

Im Januar, dem Monat, der mir so trostlos wie eine leere Buchseite erschien, habe ich beschlossen, mein Bücherregal auszumisten. Die Mischung aus Romanen, Ratgebern und Sachbüchern, die sich dort angesammelt hatten, spiegelte eine wilde Achterbahn meiner vergangenen literarischen Gelüste wider. Es gab solche, die eher der Kategorie „Was habe ich mir dabei gedacht?“ zuzuordnen waren. Grandioser Schrott, mit Inhalten, die mir erzählen wollten, wie ich mein Leben besser gestalten kann. Diese landeten gnadenlos im Altpapier. Andere, die ich eher milde betrachtete, habe ich in öffentliche Bücherschränke verbannt, in der Hoffnung, dass sie vielleicht andernorts auf mehr Gegenliebe stoßen. Und ein paar der besseren Stücke habe ich sogar verkauft. Ich bin dadurch zwar nicht vermögend geworden, aber das Gefühl, mich von unnötigem Ballast zu befreien, war fast so befriedigend wie ein Sechser im Lotto – fast.

Na gut, nachdem ich also mein Bücherregal erleichtert hatte, dauerte es keine vier Wochen, und ich fand mich in der Buchhandlung wieder. Dieses Mal zog es mich zu „Can’t Hurt Me“ von David Goggins. Das Buch ist nicht einfach nur ein weiterer Zuwachs meiner Sammlung, sondern eher ein geistiger Coach in Buchform. Ich habe es nicht nur einmal gelesen, sondern ziehe es regelmäßig aus dem Regal, wenn ich es wieder nicht schaffe, meinen Arsch hochzukriegen. Es dient mir als Kompass, der mir zeigt, wie man sich durch die Sumpfgebiete des Alltags kämpft, mit einem ständigen Lächeln, das sagt: „Komm schon, was willst du mir schon anhaben?“ Dieses Buch wurde mein literarischer Rettungsring in einem Meer aus Alltagsproblemen und Motivationstiefs. Es ist wie ein guter Freund, der einem nicht nur den Rücken stärkt, sondern einem auch ab und zu mal einen liebevollen Tritt in den Hintern verpasst.

David Goggins: Can’t hurt me

Aber worum geht es in dem Buch eigentlich? „Can’t Hurt Me“ erzählt die Geschichte von David Goggins, dessen Kindheit alles andere als unbeschwert war. Während die anderen Kinder in seinem Alter in sorglosen Kindheitstagen schwelgten, lebte Goggins mit seiner Mutter und seinem Bruder unter dem Joch seines gewalttätigen Vaters, der ihn schon früh mit Gewalt und Schmerz vertraut machte. Diese dunklen frühen Jahre prägten ihn und hinterließen tiefe, dunkle Spuren. Der junge Goggins war vollkommen unmotiviert und ziellos, vollgestopft mit einer innerer Wut, die ihn langsam aber sicher auffraß. Irgendwann bewarb er sich bei der Luftwaffe, doch die nötige Zähigkeit und Härte, um die harte Ausbildung durchzustehen, fehlte ihm. Aus gesundheitlichen Gründen brach er sie dann einfach ab. Geschlagen von seinem eigenen Scheitern, ließ er sich gehen, fraß, was und so viel er konnte, gab sich der Resignation hin und fristete sein Dasein in einem tristen Alltag als Schädlingsbekämpfer. 

Das Blatt begann sich zu wenden, als Goggins zufällig eine Fernsehsendung über Navy SEALs einschaltete. Sie zeigten die berüchtigtste und knochenharte Phase des SEAL-Trainings, die sogenannte „Woche der Hölle“. Und genau das wollte Goggins. Er setzte sich ans Telefon und begann, einen Rekrutierungsoffizier nach dem anderen anzurufen. Anfangs winkten alle ab, denn seine frühere Aufgabe bei der Luftwaffe und sein enormes Übergewicht sprachen nicht gerade für ihn. Doch Goggins ließ nicht locker. Erst Petty Officer Steven Schaljo, war bereit, ihm eine Chance zu geben. Goggins erkannte, dass dies seine vielleicht einzige Gelegenheit sein könnte. Er hatte etwa 90 Tage Zeit, um 45 Kilogramm Körperfett abzuspecken. Mit eiserner Disziplin stellte er sich dieser Herausforderung und entwickelte eine brutale Routine: Morgens laufen, tagsüber lernen, abends schwimmen und zusätzliche Stunden im Fitnessstudio. Er packte das scheinbar Unmögliche – innerhalb weniger Monate hatte er sich von einem unwahrscheinlichen Kandidaten in einen fitten Rekruten verwandelt, der auf dem Weg war, ein Navy SEAL zu werden. Und dann kam die „HELLWEEK“, die Woche der Hölle. 

Was das Buch mit mir gemacht hat

Ich möchte an dieser Stelle gar nicht die ganze Geschichte ausbreiten, aber folgendes ich muss einfach erwähnen: David Goggins ist bislang der einzige Mensch auf diesem Planeten, der es geschafft hat, die Elite-Trainingsprogramme der Navy SEALs, der U.S. Army Rangers und der Air Force Tactical Air Controllers zu durchlaufen und zu bestehen. 2013 stellte er den Guinness-Weltrekord für die meisten Klimmzüge in 24 Stunden auf – 4.030 Stück, die er locker in 17 Stunden schaffte. Seine Geschichte hat mich umgehauen, und ich konnte das Buch einfach nicht weglegen. Vielleicht lag meine Faszination auch daran, dass ich mich selbst in einem eher erbärmlichen Zustand befand. Im Gegensatz zu ihm, dessen Kindheit alles andere als rosig war, bin ich zum Glück anders aufgewachsen. Aber Februar, als ich das Buch las, war ich fettleibig, unzufrieden und wütend. So wütend und traurig, dass Traurigkeit und Wut anfingen, mich von innen heraus zu zerfressen. Zu diesem Zeitpunkt brachte ich bei einer Größe von 1,92 m weit über 110 kg auf die Waage und ein schlichter Spaziergang von 5 Kilometern galt für mich als olympische Disziplin. Ich hatte mich gehen lassen und war zu einem speckigen, traurigen Etwas verkommen.

Wir alle verschwenden so viel Zeit mit sinnlosem Blödsinn. Wir vergeuden Stunden in den sozialen Medien und vor dem Fernseher – Stunden, die sich am Ende des Jahres zu Tagen und Wochen summieren, was wir merken würden, wenn wir diese Zeit tabellarisch so erfassen würden, wie wir das bei unseren Steuern tun.

David Goggins: Can’t Hurt Me

Ich hatte mich zwar bereits vorübergehend von den sozialen Medien verabschiedet, doch der große Motivationsschub ließ leider auf sich warten. Mit dem Buch von David Goggins, „Can’t Hurt Me“, kam dann mein persönlicher Wendepunkt. Ich krempelte meinen Alltag um: Ich ging öfter spazieren, vertiefte mich immer wieder in das Buch, kritzelte Stichpunkte aus diesem auf Zettel, spazierte weiter, überarbeitete meine Ernährung und steigerte allmählich meine Distanzen. Zuerst waren es fünf Kilometer, dann acht, dann zehn. Zusätzlich begann ich zu trainieren. Was als 15-minütiges HIIT-Training begann, dehnte sich auf 30 Minuten aus und heute powere ich anderthalb Stunden durch, während ich dabei manches Mal bis zu 1.500 Kcal verbrenne. Stand heute, am 25. April 2024, bin ich immer noch 1,92 m groß, aber mein Gewicht zeigt stolze 92 kg auf der Waage. Und ich bin noch nicht am Ende meiner Reise. Doch die Niedergeschlagenheit, die Unzufriedenheit und die Traurigkeit haben sich verabschiedet.

Es geht darum, es zu wollen, als gäbe es kein Morgen – denn vielleicht gibt es kein Morgen.

David Goggins: Can’t Hurt Me

Aber mal ganz ehrlich, so ein Buch löst natürlich nicht alle Probleme. Ich meine, das tun die wenigsten Bücher, außer vielleicht die wissenschaftlichen Ratgeber, die so furztrocken geschrieben sind, dass man vor Langeweile fast von selbst auf Lösungen stolpert. Aber da will ich mich jetzt auch nicht zu weit aus dem Fenster hängen. Fakt ist: Ich bin nicht mehr der, der ich einmal war. Sicher, ich habe immer noch einiges zu verarbeiten und Herausforderungen zu meistern, aber wenn ich es schaffe, morgens um 8:00 Uhr schon 2.000 kcal verbrannt zu haben, dann kann ich wohl auch den Rest irgendwie hinkriegen. Und das Buch „Can’t Hurt Me“ von David Goggins? Das hat mir genau den Tritt in den (damals) fetten, faulen Arsch gegeben, den ich gebraucht habe, auch wenn ich den Untertitel „Beherrsche deinen Geist und erreiche deine Ziele“ immer noch ziemlich albern finde.

Wenn ihr also überlegt, euch „Can’t Hurt Me“ zu kaufen, dann macht es einfach. Ihr habt meine Empfehlung. Aber bitte, bestellt es nicht online. Marschiert stattdessen in die nächste Buchhandlung. Am besten direkt zu Fuß, von genau dem Punkt aus, an dem ihr euch gerade befindet.

Und wenn wir nicht am Leben sind, dann stehen wir längst mit einem Bein im Grab.