Der Förster, Talko und der Gehorsam

Bei dem Weimaraner an meiner Seite bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob ich ihn Talko oder Satan nennen soll. Beide Namen bekommt er regelmäßig zu hören, was wohl an seiner derzeitigen Lebensphase liegt – er ist nämlich in der Pubertät. Ein Weimaraner in der Pubertät ist vergleichbar mit dem Versuch, einen Tornado in einen Käfig zu sperren. Diese Hunde sind schon unter normalen Umständen wahre Energiebündel, aber in dieser besonderen Zeit? Da drehen sie vollkommen durch. Man kann sich Talko wie einen vierbeinigen Teenager vorstellen, der auf Duracell-Batterien läuft und dessen Energielevel so stabil ist wie das Wetter in der Karibik während der Hurrikansaison.

Aktuell testet er seine Grenzen aus, ganz wie ein rebellischer Teenie, der herausfinden möchte, wie weit er gehen kann, bevor ich „Stopp“ (oder eben „Satan“) rufe. All die Grundbefehle, die ich ihm mühevoll beigebracht habe? Sitz, Platz, Bleib? Das ist alles plötzlich vergessen, denn der Reiz des letzten Herbstlaubs, welches über die Straße fegt, scheint spannender als meinem Ruf zu folgen. Er will rennen, springen und alles erkunden, am besten alles gleichzeitig. Dabei folgt er seinem eigenen, jugendlichen Hormon-Radio welches auf der Frequenz „Ich mache eh, was ich will“ sendet. So wird der tägliche Spaziergang schnell zu einem Fortgeschrittenen-Sprintmarathon. Und nicht selten stelle ich mir dann die Frage, wer hier eigentlich wen ausführt.

Dann ist da noch seine Zerstörungslust. Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, und schwupp, hat Talko meine Schuhe erwischt. Anscheinend kaut es sich darauf besser als auf irgendeinem Kauspielzeug – und das alles begleitet von einem Unschuldsblick, der jeden Oscar-prämierten Schauspieler neidisch machen würde. Aber trotz all dieser Herausforderungen – und ich sage das ganz ehrlich – ist Talko auch unglaublich charmant. Dieser treue Blick, seine unbändige Energie und Lebensfreude machen es einem schwer, ihm lange böse zu sein. Man muss einfach durch diese stürmische Zeit hindurch, getröstet von dem Gedanken, dass es nur eine Phase ist. Eine anstrengende, chaotische, aber letztendlich zutiefst liebenswerte Phase.

Neulich, noch gar nicht lange her, spazierte ich mit Talko durch den Wald. Er war an einer langen Leine, um ihm maximale Freiheit zum Rennen, Springen und Schnüffeln zu geben. Die kurze Leine hatte ich mir um die Schulter geschwungen. Wir pflügten also durch die nassen, matschigen Waldpfade, als plötzlich ein Geländewagen den Berg hinunterkam, was mich durchaus überraschte. Ich rief Talko, um nicht wie ein Irrer an der Leine zu zerren, aber der Kerl stand da wie angewurzelt, als wäre er taub für das, was ich sagte. Also zog ich etwas energischer an der Leine, während ich mich darüber wunderte, dass hier überhaupt ein Fahrzeug fahren durfte – eigentlich war dieser Weg für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Natürlich, es musste der Förster sein. Der hielt neben mir an, kurbelte das Fenster runter und grüßte mich überfreundlich. Ich kannte ihn natürlich nicht, erwiderte aber höflich seinen Gruß.

„Einen schönen Hund haben Sie da“, lobte er.
„Vielen Dank“, entgegnete ich, während sein Hund wie ein Musterknabe im Kofferraum seines Wagens lag.
„Nur hört er heute nicht besonders gut.“
Der Förster, der mich altersmäßig wohl noch nicht eingeholt hatte, lachte.
„Ein junger Hund, nicht wahr?“
„Ja, gerade mal zehn Monate alt.“
„Da haben Sie sicher noch eine Weile Ihren Spaß“, meinte er und lachte wieder.
„Das glaube ich auch“, stimmte ich zu.
„Ja, ja“, fuhr er fort. „Die Pubertät.“

Er nickte zum Abschied und bedankte sich noch einmal ausdrücklich dafür, dass ich Talko an der Leine führte. Dann gab er mir noch einen freundlichen Rat mit auf den Weg: „Passen Sie auf, die Wildschweine haben gerade Frischlinge, und es ist besser, wenn Sie die Wege nicht verlassen.“ Ehrlich gesagt hatte ich das ohnehin nicht vor. Ich war mit diesem Teil des Waldes noch nicht besonders vertraut, und angesichts der Tatsache, dass ich einen unberechenbaren, pubertierenden Weimaraner an meiner Seite hatte, war der Gedanke, mich zu verirren, alles andere als verlockend. Es war definitiv nicht der Tag für Abenteuer abseits der ausgetretenen Pfade.

Und wenn wir nicht am Leben sind, dann stehen wir längst mit einem Bein im Grab.