Kampfgeist & Königskrone

Es ist eine Hassliebe. Ehrlich. Der Sport und ich, wir führen eine Art liebevolle Fehde. Ohne Scheiß, ich kann Sport nicht ausstehen, vor allem den schmerzhaften Anfang. Jedes Mal ist es eine heroische Überwindung, und ich könnte ohne Zweifel als Großmeister der Ausreden durchgehen: „Heute nicht, gestern war schon genug“, „man muss sich auch Erholung gönnen“, „die süßesten Momente sind die auf dem Sofa, wenn man arbeitet wie ein Toter“. Doch das Lümmeln auf dem Sofa, das Vernichten von Chips, das sind Tätigkeiten, die mich nicht voranbringen, sondern eher zurückwerfen. Also zwänge ich mich fünfmal die Woche in die Sportschuhe und leide wie ein Irrer. Wenn ich das nämlich unterlasse, stürze ich binnen zweier Tage in ein mentales Schwarzes Loch, in dem alles, was mir lieb ist, zu einer belanglosen Belanglosigkeit schrumpft und ich in nichts – wirklich absolut nichts – einen Sinn sehen kann. Es stimmt einfach, das Leben spielt sich tatsächlich jenseits der Komfortzone ab. Schweiß ist das Elixier des Glücks. Das muss natürlich nicht für jeden zutreffen, aber für mich ist es die unumstößliche Wahrheit. Fakt ist: Der Sport braucht mich nicht, aber ich ihn umso mehr.

Sport und ich, das ist eine Geschichte, die man wohl am besten als eine verzwickte Liebesaffäre beschreiben könnte. Ich bin echt kein Experte in diesem Bereich, und ich werde mich nie als solchen ausgeben. Also erwartet von mir keine qualifizierten Tipps und irgendwelche Trainingspläne werde ich für niemanden aufstellen. Ob das, was ich mache, überhaupt alles richtig ist? Keine Ahnung. Oft muss ich mir einen Rat einholen oder um Unterstützung bitten, und nicht selten denke ich mir, dass ich vollkommen bescheuert sein muss. Aber nachdem ich die 1,5 Stunden der martialischen Tortur überstanden habe, nach denen mein Shirt aussieht, als hätte ich mich in einen Fluss gestürzt, fühle ich mich tatsächlich um Welten besser.

Alle Zweifel, Sorgen und Ängste, die mich am Morgen noch beim Aufstehen begleitet haben, scheinen dann tief unter der Erde begraben zu sein, zusammen mit der Version meiner selbst, die ich zu überwinden versuche. Dieses befreiende Gefühl nach dem Sport ist wie eine kurze Flucht aus dem Alltag, ein Moment der Reinigung von allem Ballast. Doch leider, diese quälenden Geister, diese Dämonen, sie finden immer wieder ihren Weg zurück. In den stillen Stunden der Nacht schleichen sie sich an mein Bett, legen sich leise zu mir. Und während sie dort liegen, flüstern sie unqualifizierte, niederträchtige Sätze direkt in mein Unterbewusstsein. Sie säen Zweifel und Unsicherheit, und ich erwache oft mit dem verstörenden Gefühl, dass ihre flüsternden Lügen vielleicht doch Wahrheiten sein könnten. 

Mein täglicher Kampf lässt sich mit nichts Geringerem als der König Artus Saga vergleichen. Okay, ich neige dazu, ein bisschen dramatisch zu sein. Doch in dieser fast täglichen Geschichte spiele ich die Rolle des Artus, natürlich, und der Sport ist mein Schwert Excalibur. Meine persönlichen Dämonen, also die lästigen Gedanken, die sich ständig einmischen, stehen morgens bereits hinter mir. Und gerade wenn ich dieses Schwert am dringendsten brauche, um sie in die Schranken zu weisen, steckt das Schwer natürlich in dem Stein. Der erste Kampf des Tages? Excalibur aus seinem steinernen Gefängnis zu befreien. Das ist die eigentliche Herausforderung, anzufangen, während die kleinen Stimmchen und Dämonen zischeln, dass ich es doch besser bleiben lassen sollte, weil ich es sowieso nicht schaffen werde.

Doch ich umklammere den Griff des Schwertes und ziehe wie ein Verrückter daran. Diese ersten 15 Minuten des Trainings fühlen sich an wie eine Ewigkeit. Bald bin ich außer Atem und denke mir: „Okay, heute reichen auch dreißig Minuten.“ Aber wenn die halbe Stunde rum ist, sind die Gegner immer noch da, die Dämonen noch nicht ganz vertrieben, also was bleibt mir anderes übrig, als weiterzumachen? Nach 60 Minuten sind zwar die letzten Zweifel besiegt, aber die Motivation ist so aufgeputscht, dass ich mir sage: „Okay, noch dreißig Minuten Präventionstraining, um sicherzugehen, dass wirklich alles im Geist eliminiert ist.“ Also powere ich mich weitere dreißig Minuten aus, obwohl ich deutlich spüre, wie meine Leistungskurve bergab geht. Nach 90 Minuten bin ich völlig erschöpft, aber frei, sicher und zuversichtlich. Doch anders als in der legendären Sage kann ich mich nicht einfach an die Tafel setzen und das Leben genießen. Denn am nächsten Morgen steckt das verdammte Schwert wieder in dem beschissenen Stein und die Dämonen flüstern wieder.

Im meinem täglichen Kampf gegen die Dämonen des Sports gibt es tatsächlich auch eine kleine Waffenruhe, ein bisschen wie bei einem Friedensvertrag zwischen alten Rivalen. Wir – also die Dämonen und ich – haben uns nämlich einvernehmlich darauf geeinigt, dass freitags und sonntags die Waffen quasi ruhen. Die Gedanken halten ihre Fresse und ich lass das verdammte Schwer im Stein. Freitag, weil der Name es schon irgendwie vorgibt, und Sonntag, weil, wie jeder gute Christenbruder von Moses bis Jesus dir sagen würde, am siebten Tag Ruhe sein soll. Ich bin kein Mitglied einer Kirche oder einer sonstigen religiösen Gemeinschaft, aber die Idee, am Sonntag einen Gang runterzuschalten, ist wirklich nicht die schlechteste. Witzigerweise ist dieser Sonntag für mich der Start in die Woche – was den Montag technisch zum zweiten Tag macht und den Samstag eigentlich zum siebten. Aber da der Freitag sich schon durch seinen Namen die Auszeit sichert, bleibt der Sonntag mein offizieller Chill-out-Tag. Und das hat auch was für sich, den ersten Tag der Woche ganz ohne Termindruck und To-dos zu erleben. Ach ja, und noch was: Sonntag ist der einzige Tag, an dem ich frühstücke. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Wie gesagt, das mit dem Sport und mir, das ist wirklich eine Geschichte voller Hassliebe. Anfangs hasse ich es regelrecht, mich zum Sport zu schleppen, aber sobald ich angefangen habe, liebe ich es. Ich höre nicht auf, wenn ich müde werde, sondern erst, wenn ich wirklich fertig bin. Es müssen 90 Minuten sein. Und wenn man bedenkt, dass ein Tag viel mehr Stunden hat als nur die kleine Portion meines Trainings, dann kann ich sagen, dass sich diese Zeit mehr als lohnt. Ich fühle mich danach glücklicher, zufriedener und selbstsicherer als je zuvor. Und obwohl die Dämonen morgens noch leise in mein Ohr flüstern, habe ich gelernt, sie eher als Geister zu sehen, die mich antreiben und weiterbringen wollen, die mir zeigen, dass das Bild, welches mein Ego von mir zeichnen will, eigentlich ziemlich scheiße ist. Jede Trainingseinheit wird so zu einem Triumph über mein altes Ich, über mein Ego. Täglich führe ich meinen inneren Schweinehund, wieder und wieder zum Schlachthof. Ja, ich bin der Herrscher, der König meines eigenen Lebens, und wenn ich mich fast jeden Tag selbst herausfordere – fast jeden Tag, Entschuldigung – dann beweise ich mir genau das. Und das ist wahrhaft großartig. Tatsächlich jeden Tag.

Und wenn wir nicht am Leben sind, dann stehen wir längst mit einem Bein im Grab.