Ich erinnere mich nicht.
Das Gedächtnis, so unvollkommen es ist, hat diese Details verwischt, sie aus meinem Bewusstsein getilgt, als wären sie nie von Bedeutung gewesen. Doch vielleicht liegt gerade darin eine eigene Art der Wahrheit. Ich erinnere mich nicht an die Male, in denen ich hochflog, getragen von Hoffnungen, nur um dann, jedes Mal aufs Neue, tief zu fallen – tiefer vielleicht, als je zuvor. Die Abstürze hinterließen keine sichtbaren Narben, nur eine stille Resignation, die sich wie ein dichter Nebel in meinem Inneren ausbreitete. Ich erinnere mich nicht an die vielen Abzweigungen, an denen ich falsch abbog. Die Wege, die ich einschlug, führten oft ins Ungewisse, in das Dickicht der Verwirrung, aus dem es kein klares Entkommen gab. Doch irgendwie fand ich jedes Mal einen Weg zurück. Zurück auf eine Straße, die zwar nicht weniger verworren war, aber doch vertraut. Ich erinnere mich nicht, wie oft ich mich selbst zu wichtig nahm, ein kleines Licht, das glaubte, es könne den Raum erleuchten. In Wirklichkeit war ich nur eines von vielen, ununterscheidbar in einem Meer aus flackernden Flammen, die alle um Aufmerksamkeit kämpften, alle vergänglich. Ich erinnere mich nicht, wie oft ich diesen Fehler begangen habe, das Vergessen, das Verdrängen. Vielleicht war es das, was mich immer wieder auf die gleichen Wege führte. Aus diesen Fehlern zu lernen, schien eine Aufgabe zu sein, der ich nicht gewachsen war, oder vielleicht wollte ich es auch nie wirklich sein. Das Nicht-Erinnern könnte mein größter Fehler gewesen sein, ein ständiges Versagen, aus dem ich bislang nichts gelernt habe.

In den letzten Sekunden vor dem Tod, so heißt es, rasen die bedeutendsten Bilder eines Lebens wie ein schneller Film an den Augen des Sterbenden vorbei. Zugegebenermaßen ist mir derzeit nicht danach, mich diesem Strom vergangener Erinnerungen und Bilder hinzugeben. Doch wenn der Tag kommt, an dem diese Bilder unaufhaltsam auf mich zurasen, hoffe ich, dass aus den wenigen Sekunden einige Minuten werden. Wie erfreulich wäre es dann, am Rande dieser gedanklichen Reise zu stehen, mit einem zufriedenen Lächeln und einem kühlen Getränk in der Hand, um mich ein letztes Mal in der Betrachtung dieser Momente zu verlieren, bevor ich friedlich die Augen für immer schließe. Dann, vielleicht gerade dann, würde mir noch einmal bewusst werden, dass sich das Leben in drei Phasen gliedert: die Suche, das Finden und die Erkenntnis. Der letzte Abschnitt, gekennzeichnet durch eine tiefgreifende Gelassenheit, würde mir vielleicht offenbaren, dass jede vorherige Verwirrung, jeder Fall, jeder Irrweg und jede Rückkehr nicht umsonst gewesen war. Jede Phase meines Lebens, jedes Missverständnis und jede Einsicht fügten sich zusammen zu einer vollständigen Geschichte, die ich vielleicht erst in diesen letzten Augenblicken wirklich verstehen würde. Die Gelassenheit, die mit der letzten Phase einhergeht, könnte ein Gefühl der Vollendung mit sich bringen, ein Verstehen, dass alles – die Freuden, die Kämpfe, das Vergessen und das Wiederfinden – Teil eines größeren Ganzen waren, das nun, am Ende meiner Tage, seinen wahren Wert offenbart. Vielleicht würde ich begreifen, dass mein eigenes Leben nicht eine Abfolge von Erfolgen und Fehlern war, sondern ein Mosaik unendlicher Möglichkeiten.

Ein Mosaik unendlicher Möglichkeiten – vielleicht ist es genau das, was das Wesen des Lebens ausmacht. Die Idee, dass uns unbegrenzte Möglichkeiten offenstehen. Es ist eine trügerische Vorstellung zu glauben, wir könnten alles erreichen, bloß weil wir es uns wünschen. Doch das sollte uns nicht daran hindern, es zu versuchen. Vielleicht erreichen wir die Höhen, vielleicht erleiden wir tiefe Stürze, vielleicht verirren wir uns auf unserem Weg und finden nur schwer wieder zurück. Aber dann, gerade dann, können wir von uns behaupten, dass wir es gewagt haben. Und wenn es wirklich unendliche Wege gibt, dann bedeutet jeder Irrweg, jeder Sturz vielleicht nur, dass wir auf der Suche sind – auf der Suche nach dem, was uns wirklich entspricht.

Als ich kürzlich eines Morgens, es mag gegen Viertel vor fünf gewesen sein, mit meinem Hund spazieren ging, hielt ich einen Moment inne und beobachtete, wie die Sonne aufging. Sie stieg empor, völlig gleichgültig gegenüber meiner Existenz, und in diesem Augenblick fand ich, vielleicht zum ersten Mal seit vielen Jahren, eine Art tiefer Ruhe in mir. Diese Ruhe ließ sich nur mit einer Art von Gelassenheit beschreiben, die von tiefem Verständnis und Akzeptanz zeugt. Ich stand plötzlich im Mittelpunkt meines eigenen Lebens, frei von der Notwendigkeit, irgendjemandem etwas beweisen zu müssen, niemandem Rechenschaft schuldig zu sein, niemanden überzeugen oder beeindrucken zu müssen. Ich befand mich im Zentrum meiner Selbst und empfand, dass es an der Zeit war, zur Einfachheit zurückzukehren. Ich bin ein kleines Licht, ununterscheidbar in einem Meer aus flackernden Flammen, die alle um Aufmerksamkeit ringen. Doch ich? Ich gehöre nicht dazu. Nicht mehr. In der stillen Klarheit jenes Morgens erkannte ich, dass das wahre Verstehen darin liegt, sich von dem unerbittlichen Wettbewerb um Anerkennung zu lösen und zu erkennen, dass man selbst, in der Einfachheit seines Seins, seinen Platz im Universum hat – unaufdringlich, aber bedeutungsvoll.